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MoTuL (D)

Frank Orthey 2022/01/07 14:27

Basisbeitrag von Alfred Noell

Zu Beginn der Formel-Vau-Erfolgsgeschichte versuchten überall in Europa Konstrukteure und geschickte Hände von KFZ-Meistern, das Beste aus den engen Vorgaben des Reglements zu machen. So auch im rheinischen Bensberg, unmittelbar hinter dem Schloss Bensberg, dem heutigen Grand Hotel. Hier hatte in den 1950er Jahren Walter Löffelsender Senior ein Autohaus gegründet. Zuerst handelte und betreute er englische Fahrzeuge, später Renault-Modelle. Durch Aktivitäten im Automobilclub ACBL kam er Mitte der 1960er Jahre zum Automobil-Rennsport, stieß hier im Club auf zwei Formel-Vau-Fahrzeuge und bildete damit eine Sportabteilung im Automobilclub. Diese beiden Eigenbauten wurden mit viel Liebe von Grund auf neu aufgebaut, verbessert und bei Rennen durch den ACBL mit dem Rennleiter Walter Löffelsender eingesetzt. Als die nun bildschönen Rennwagen nach zwei Jahren an ihre sportlichen Grenzen stießen, konstruierte Löffelsender mit seinen Leuten vom ACBL einen neuen Formel Vau 1300. Dieses erste selbst konstruierte und gebaute Modell wurde MoTuL (Motoren-Tuning Löffelsender) getauft und Walter Löffelsender stellte seine Firma vom Autohaus auf Rennwagenbau um. Dieser MoTuL wurde schon ein großer Erfolg und wegen seiner schlanken Form „Zigarre“ genannt. Das stabile Reglement der Formel Vau Europa ließ es zu, dass der MoTuL bis 1973 gebaut und gut verkauft werden konnte.

Frühe Zeiten im Automobilclub ACBL

MoTuL-Einvergaser „Zigarre“ vor der Werkstatt

1969 fing dann der älteste Sohn, Walter Löffelsender Junior, in der Werkstatt seines Vaters als Techniker an. „Wie meistens, wenn man jung ist, fühlte ich mich als Revoluzzer, hatte lange Haare und verstand erst gar nicht, dass mein Vater auf seinem Gebiet ein außergewöhnlicher und erfolgreicher Mann war“, erinnert er sich schmunzelnd. „Aber das ging mir doch schnell auf, vor allem, nachdem ich mit den Autos meines Vaters fahren durfte und feststellen konnte, dass sie schneller und besser waren als die vieler Konkurrenten.“ Sie verkauften MoTuL-Formel-V-Rennwagen in ganz Europa mit dem Schwerpunkt Benelux-Länder. Hier kümmerte sich der erfolgreiche Formel-Vau-Fahrer Jaap Luyendyk um den Verkauf der MoTuL-Rennwagen.

Nicht nur Fahren, sondern auch schrauben war angesagt für Walter Löffelsender jun.

„Da war richtig was los bei uns“, erzählt der Junior. „Ganz besonders, als 1972/73 die Reglement-Änderungen kamen. Es musste ein komplett neuer MoTuL Formel Vau konstruiert und vorgestellt werden. Wir waren die Ersten, die den Formel Vau 1300 in der neuen Reglement-Auslegung 1973 in Hockenheim vorstellten. Das Wichtigste waren natürlich Leistung und Fahrverhalten. Beides hatte mein Vater sehr gut hin bekommen. Von einem solchen Erfolg hatte auch er kaum zu träumen gewagt, denn nach der Vorstellung unseres neuen Modells auf dem Hockenheimring gingen bei uns über 30 Bestellungen ein, und wir kamen mit dem Aufbau kaum noch nach.“ Der Filius zeigte dem Vater aber auch, dass er sehr flott mit den eigenen Fahrzeugen unterwegs sein konnte. Er durfte schon 1972 als Ausweisfahrer mit einem Kundenauto starten. „Das war ein besonderer Vertrauensbeweis“, erinnert sich der Junior. „Ich hatte mir fest vorgenommen, dieses Auto heil nach Hause zu bringen.“ Rennen fahren sei schon immer sein Traum gewesen. „Aber ich musste meinen Vater zuerst mit meiner Leistung in der Werkstatt überzeugen, bevor er mich einmal an das Lenkrad ließ.“

Der Meister als beherzter und schneller Pilot

Bei MoTuL gaben sich einige, später sehr bekannte Rennfahrer die Klinke in die Hand. Denn mit einem MoTuL-Formel Vau waren sie auf allen Rennpisten Europas zumeist mit vorn und standen vielfach hernach auf dem Treppchen. Das erfolgreichste Jahr und der Höhepunkt in der MoTuL-Geschichte war zweifelsfrei das Jahr 1973, als in Berlin Vater und Sohn Löffelsender quasi gemeinsam auf dem Treppchen standen. Der Senior gewann den ONS-Konstrukteurstitel, denn seine Fahrzeuge gewannen am häufigsten. Sie platzierten sich nicht weniger als sechsmal unter den ersten Zehn. Der Sohn wiederum holte sich als erfolgreichster Fahrer den ONS-Pokal der Saison 1973. „Wir haben es damals selbst kaum geglaubt“, sagt der Sohn heute, „eigentlich war es zu viel auf einmal“. Dann fällt ihm plötzlich noch ein: „Übrigens ist von der damaligen Siegesfeier bis heute noch etwas übrig geblieben - ich habe als Preis kein Geld bekommen, sondern einen flammneuen VW Jeans Käfer. Der fährt heute, nach 37 Jahren, noch immer in Familienhänden, und im Kraftfahrzeugbrief steht nur ein Name - unserer.“

So sehen Sieger aus!

Aber dann schlug das Schicksal hart zu. Vater Walter Löffelsender, der außer seinen Erfolgen auch einer der Mitbegründer des ACBL war, verstarb 1974 mit erst 46 Jahren an einer schweren Erkrankung. Plötzlich stand der Junior allein da. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das Erbe seines Vaters tatkräftig fortzusetzen, aber das sollte ihm durch äußere Bedingungen verwehrt bleiben. Zwar starteten 1974 insgesamt 25 MoTuL-Formel-Rennwagen bei internationalen Rennen insgesamt 734 mal, zwar fuhr der Holländer Michael Bleekemolen auf einem MoTuL Rundenrekord in Silverstone und es standen in der Ergebnisliste der deutschen Meisterschaft 1974 wieder fünf MoTuL-Fahrer unter den ersten Zehn, aber Schicksal und Zeit entschieden anders. Wegen der Benzinkrise und der allgemeinen Hysterie gegen das Auto wurden auto-freie Tage eingeführt, Motorsportveranstaltungen abgesagt oder sogar Strecken völlig gesperrt. Auch bei MoTuL brach der Auftragseingang rapide zusammen. Die verunsicherten Motorsportler wussten nicht, ob es denn im nächsten Jahr noch Rennen geben würde und stornierten vorsichtshalber das gerade bestellte Fahrzeug. Die angebotene Hilfe eines Motorsport-Vorsitzenden, das Unternehmen zu retten, stellte sich bald als feindliche Übernahme heraus. Alle Fahrzeuge wurden in einer Nacht- und Nebelaktion abgeholt und der junge Walter Löffelsender dabei noch kräftig über den Tisch gezogen. Der Rennwagenbau wurde nach Lennep verlegt und in Orion umbenannt. Unter diesem Namen wurden noch vier Fahrzeuge gebaut. Der vermeintliche Retter und sein Automobilclub mussten sogar schließen und so war auch das Ende der Erfolgsstory MoTuL-Formel-Vau-Rennwagenbau besiegelt. Walter Löffelsender absolvierte in Heide Holstein noch seine Meisterprüfung und fing 1978 im Ford Entwicklungs-Zentrum in Köln-Merkenich an. „Aber die Automobilgeschichte lässt uns nicht los“, sagt der jetzt 61-Jährige augenzwinkernd. „Mein Sohn Mark ist als Diplom-Ingenieur Chassis und Zukunftsentwicklung seit 1998 ebenfalls bei Ford. Unsere Familie muss wohl einfach Benzin im Blut haben, denn auch Tochter Alexandra treibt Automobil-Safari- und Rallyesport und betreibt zudem eine Vertretung für Helme und Sicherheitsausrüstungen.“ Bei Ford wurde er selbst immer „Formel Vau Walter“ genannt. Und es juckte ihn natürlich in den Fingern, als ihm 1993 ein MoTuL-Super-Vau zur Restauration angeboten wurde. Sein Interesse war wieder geweckt. Über einen Ford-Kollegen fand er sogar seinen original MoTuL-Meisterschafts-Rennwagen, den er für seinen Sohn Mark herrichtete, der damit einige historische Rennen bestritt. Vor fünf Jahren dann wurde im Internet einer der wenigen MoTuL-Super-Vau angeboten. Dieses Restaurationsobjekt stand in Hof in Bayern. „Es war Januar, eiskalt und dunkel“, berichtet Walter Löffelsender, „wir konnten das Fahrzeug nur mit der Taschenlampe begutachten. Weil es wohl kaum noch Exemplare des MoTuL-Super-Vau gibt und meine Lebenspartnerin drängte, kauften wir die Rennwagen-Fragmente. Am nächsten Tag stellte ich dann bei Tageslicht fest: der Wagen hatte einen Unfall, es fehlten die wichtigsten Teile, einiges war Schrott. Der komplette Neuaufbau war fällig.“ Die Restauration dauerte fünf Jahre, bis der Wagen wieder so da stand, wie Walter Löffelsender Junior ihn haben wollte – original wie vom Hersteller seinerzeit. In gelber Farbe und mit dem originalen MoTuL-Schriftzug wurde er 1974 als Werkswagen eingesetzt und seit der Restauration im Rahmen der Läufe der Historischen Formel Vau Europa.

Mark Löffelsender im MoTuL-Super Vau am Salzburgring

Thomas Keßler/Frank Michael Orthey/Lothar Panten: Formel Vau und Super Vau. Die Geschichte eines Rennsport-Welterfolgs. View-Verlag, 2. Auflage Bonn 2017 (Auszug S. 327 - 330)

Walter Löffelsender jun. und Alfred Noell (Autor des Basisbeitrags)

Heiko Engelke, Sven Eickemeyer

Zwei MoTuL 2015 in Zandvoort in der Historischen Formel Vau Europa. Das freut auch Ex-MoTuL-Pilot Arie Luyendyk (Mitte).

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