RPB (SWE)
— Frank Orthey 2022/01/08 19:39 RPB-Baukasten 1968
Geschichte
Die RPB-Story
von Stephan Gremler
Auch in Schweden hatte man feststellen müssen, dass der Formelsport wie auch der Tourenwagen-Sport immer teurer wurde. Da kam das Angebot von Leif Hansen, Rennleiter und PR-Mann von Scania Vabis SE (SV), dem damaligen Generalimporteur von Volkswagen und Porsche, gerade recht. SV hatte durch seine Verbindungen zu Ben Pon schon einige Formel-Vau-Rennwagen über die Niederlande aus den USA nach Schweden importiert. Die allerersten Veranstaltungen fanden „natürlich“ auf Eis und Schnee und „nur so zum Spaß“ statt. Die motorsportbegeisterten Schweden waren sich einig: muss man kaufen, damit muss man Rennen fahren. Leider war das Angebot an Fahrzeugen sehr knapp und die Lieferzeiten der Fahrzeuge aus den USA extrem lang. Aber viele skandinavische Rennfahrer wollten nach einem ersten Vergleichskampf am 12. September 1965 mit den Niederländern einen eigenen Formel-Vau-Renner. Von holländischer Entwicklungshilfe mochten die Wikinger auf Dauer nicht abhängig sein. Kjell Lindskog und Geschäftspartner Rune Levander wurden von dem örtlichen Rennhelden Pe-O Boström angesprochen, ob sie nicht ein paar Karosserien und Rahmen bauen könnten, um der großen Nachfrage gerecht zu werden. Rune Levander arbeitete schon seit ein paar Jahren mit dem neuartigen Fiberglasmaterial. Die beiden Partner erkannten schnell: wenn man vorhandenes Material auf schwedische Bedürfnisse abänderte und gleichzeitig den Preis pro Fahrzeug günstiger gestalten konnte, sollte ein großer Markt vorhanden sein. Außerdem entfielen ja die Transportkosten und die nicht unerheblichen Einfuhrsteuern. Das musste eigentlich ein Geschäft werden! Mit schwedischer Gelassenheit machte man sich ans Werk, nahm einfach an den importierten Beach-Fahrzeugen Maß, vereinfachte den Rahmen und baute die eigene Fiberglas-Karosse. Dass diese zufällig einem Beach-Formel-Vau aus dem Jahre 1964-1965 ähnlich sah, ist wahrscheinlich Zufall. Das Fahrzeug erhielt den Namen „Broke“. Eine Scheune in Skellefteå, 750 km entfernt von Stockholm in Richtung Norden, wurde zum Zentrum der schwedischen „Formel-Vau-Industrie“. In diesen ersten Stunden der Formel-Vau-Euphorie in Schweden konstruiert Willy Dollinger, ein Porsche-Mechaniker, seinen ersten Formel-Vau-Renner. Besonders auffällig war hier schon der sehr tiefe Schwerpunkt des Fahrzeuges. Außerdem nutzte er bereits Bleche zur Rahmenverstärkung, um so schwere Rohre zu vermeiden. Die Herren Levander und Lindskog produzierten auch dieses Fahrzeug für Dollinger. Es stellte sich aber heraus, dass der kommerzielle Erfolg bei Broke und Dollinger nicht recht eintreten wollte. Der Broke war technisch schon fast überholt, Dollinger sehr komplex und zeitaufwändig in der Herstellung des Rahmens. So entschied man sich, für die Saison 1967, einen eigenen Formel-Vau-Rennwagen zu bauen. Damit einher ging der Umzug nach Burträsk, ca. 40 km von Skellefteå. Und so war auch schnell der neue Firmenname gefunden: RPB, das steht für Racing Plast Burträsk. Es gab ein typisch schwedisches Lastenheft, um einen finanziell und stückzahlmäßig erfolgreichen Formel-Vau-Rennwagen zu bauen. Einfache Konstruktion mit Vierkantstahl (überall zu kaufen), gerade Stücke und unkompliziert zu schweißende Verbindungen, großer Fahrerausschnitt, möglichst simpel zu richten oder zu reparieren. Geringstes Gewicht stand am Anfang noch nicht an oberster Stelle. Schwedische Formel-Vau-Autos mussten auf Eis-Seen, auf Schotterpisten mit Sprunghügeln, auf Flugplätzen und auf Rennstrecken fahren können. Und es mussten natürlich der hagere, ausgezehrte, kleine Rennfahrer, wie auch der nordische Naturbursche in das Auto passen, schließlich ging es ums Geschäft! Die Karosse war inspiriert durch Bilder der Motorsportpresse von damals aktuellen Formel-1-Rennwagen. Sehr gefällig, aus fast fingerdicker Glasfaser und mit einem stilisierten Lufteinlass an der Front. Die Entwicklung, wie sie bereits in Deutschland und Österreich eingesetzt hatte, war noch nicht bis ins tiefe Schweden vorgedrungen. Im Übrigen hätten mitteleuropäische Konstruktionen sowieso keine Saison in Schweden durchgehalten. Viel zu dünnwandig, filigran und natürlich zu tief! Ein Formel-Vau-Basisauto durfte 1967 375 kg wiegen, der RPB Jahrgang ‘67 lag leicht darüber. Das war aber nicht entscheidend, wenn man sehr gute Motoren und zuverlässige Technik, gute Fahrwerke gepaart mit unbedingtem fahrerischen Einsatz und Talent verbinden konnte. Die ursprüngliche Idee, nur reine Basiskits zu verkaufen, wurde mit den ersten negativen Erfahrungen fallen gelassen. Die Grundidee, nur einzelne, ungeschweißte Rohre und die Karosse zu verkaufen, stellte den Kunden dann doch vor allzu große Herausforderungen. Hier wollte man sich eigentlich an der seit 1956 bekannten IKEA-Idee orientieren. Also entschloss man sich, hauptsächlich fertige Rahmen und Karosserien anzubieten. Um einen rennfertigen RPB zu bauen, fehlten allerdings noch einige Komponenten, die mittlerweile nach dem neuen Reglement für 1967 wichtig waren. Leistungsfähige Motoren, Getriebe und Achsen. Hier kam dann Bror Jaktlund ins Spiel. Er wurde als „Mädchen für alles“ angestellt. Rahmen schweißen, Motoren frisieren, Achsen einbauen und vermessen. Er wurde der eigentliche technische Treiber der RPB. Ein Talent als Fahrer und Techniker. Gleichzeitig mussten Levander und Lindskog zusehen, den Vertrieb der Fahrzeuge in Gang zu halten und die Bestellungen zu kanalisieren. Man vergab also für Schweden und Norwegen Repräsentanzen, über die die Kunden Fahrzeuge nach Wunsch bestellen konnten. So auch z.B. über den Redakteur der schwedischen Auto-Sport-Zeitschrift Per Cerwien. Ein Förderer und Fan der beginnenden schwedischen Formel-Vau-Szene. Er wurde auch Eigentümer des ersten gebauten RPB 67-01. Bald lagen viele Aufträge vor, obwohl noch kein RPB auf einer Rennstrecke unterwegs war. Die Saison 1967 begann sowieso später als in anderen Ländern. Genaue Daten über verkaufte Kits, halbfertige Fahrzeuge und rennfertige RPB fehlen leider. Die ersten Erfolge auf den Rennstrecken, hauptsächlich in Skandinavien, stellten sich schnell ein. PeO Boström wurde im Jahr 1967 Formel-Vau-Meister auf der Rundstrecke. Speerspitze der RPB-Armada in Skandinavien waren eben besagter PeO Boström, Bertil Ross und Bror Jaktlund. Eine besondere Spezialität der Skandinavier ist und waren die Eisrennen. Gegen die RPB und die anderen Formel-Vau-Fahrzeuge hatte keine andere Fahrzeugklasse eine Chance. Viele der RPB wurden in diesem Zusammenhang „verstümmelt“. Auf den Seen in Eis und Schnee stellte sich heraus, dass die Front ein bisschen zu üppig für dieses Terrain geraten war. Daher wurde der nordische Fuchsschwanz angesetzt und einfach das vordere Teilstück abgeschnitten. Fertig war der Eisflitzer! Harte Jungs bei mindestens 20 °CMinus ohne Heizung im Fahrzeug, aber einem großen Vorteil: Luft gefriert nicht! Auch hier konnte PeO Boström 1967 die Meisterschaft mit seinem PRB erringen. RPB: stark vertreten in den Starterfeldern
1968: Sehr schnell war man zur festen Größe im skandinavischen Formel-Vau-Sport geworden und RPB wurde schneller kopiert als es den Herren in Burträsk lieb war. Genauso wie man selbst bei den Beach Cars vorgegangen war, hatten heimischen Garagisten keine Bange, ebenfalls abzukupfern. Dalpilen war einer der Bekanntesten. Mit der Anzahl der Wettbewerber stieg natürlich auch die unbedingte Notwendigkeit, weiterzuentwickeln. Für das Modelljahr ‘68 musste also nachgeschärft werden. Der Rahmen wurde um den Motor herum verstärkt, die Gesamtkonstruktion mit ein, zwei zusätzlichen Rohren versteift und eine neue Hinterachsaufhängung konstruiert. Auch hier wieder mit dem rein nordländischen Augenmerk auf Zuverlässigkeit und Breitband-Einsatz. Für eine bessere Abgasführung, die sich Jaktlund wünschte, um die Leistungsfähigkeit der Motoren zu erhöhen, musste die hintere Karosserie leicht angehoben werden und die Front wurde leicht abgesenkt. Der Preis pro Fahrzeug wurde aufgrund der guten Nachfrage angehoben. Auch das Jahr 1968 endet mit einer absoluten Überlegenheit in den skandinavischen Ländern. Mit dem Modelljahr 1969 war es dann aber mit dem Breitbandeinsatz fast vorbei. Das Gewicht musste weiter runter, mit gleichzeitig höherer Verwindungssteifigkeit. Somit musste von Vierkant- auf Präzisionsrundstahlrohre umgestellt werden. Nichts mehr für Garagenbastler. Exaktes Zusammenfügen des Rahmens auf einer Präzisionslehre war Voraussetzung. Hinzu kam noch die genaue Vermessung von Vorder- und Hinterachse. Zu Lasten der bisher verwendeten Bundbolzenachse wurde nun die neue Kugelgelenk-Vorderachse verbaut. Dies gab mehr Freiheiten in der Fahrwerksauslegung. Der Rahmen und die Karosse liefen vorne schmaler zu. Weiterhin wurde die Front umgestaltet und es entstanden zwei Kiemen auf der Haube, die den Fahrtwind aus der Frontmaske nicht mehr nach unten, sondern nach oben ableiteten. Die Firma entwickelte sich im Eiltempo von der Schlosserei zur Rennwagenfabrikation. Tatsächlich unternahm Bror Jaktlund auch Versuche mit Heckflügeln, die den Anpressdruck deutlich verbesserten. Dies wurde aber durch das vorliegende Reglement gestoppt. Dennoch zeigte es sich, dass die Gestaltung der Karosserie einen großen Einfluss auf das Fahrverhalten und die Kurvenlage hatte. Mit RPB mitten drin!
Im Laufe des Jahres kamen die ersten Informationen zum neuen Reglement für 1970, die weitergehende Freiheiten für Innenmaß, Radstand und Karosserieform ermöglichen sollten. Daher wurde bereits sehr früh im Jahr die Produktion des 69iger Modells gestoppt und an einem konkurrenzfähigen Auto für die Saison 1970 gearbeitet. Bei diesem Fahrzeug konnte und musste man nun das gesammelte Wissen und die Erfahrungen der letzten Jahre einbringen. Ein reines Rundstreckenauto wurde konstruiert und gebaut. Nun hatte sich der Fahrer an das Auto anzupassen und nicht mehr umgekehrt. Keine Kompromisse! Das 70iger Modell war deutlich schmaler und 25 cm länger als noch das 69iger Modell. Dadurch konnte die Karossiere weiter nach vorne gezogen werden. Keine Evolution, sondern Revolution. Durch die Abkehr vom „klassischen“ Design hin zur aerodynamischen Keilform verbesserten sich die Abtriebsverhältnisse am Fahrzeug drastisch. Bereits in den ersten Rennen des Jahres zeigte sich, dass der RPB 70 ein Meisterwerk war. Die Nachfrage war weiter gut und man beschloss, auch für die folgenden Jahre keine wesentlichen Änderungen an Rahmen und Karosserie vorzunehmen. Nun sollten wieder Stückzahlen produziert werden. Die Technik stand weiter im Fokus. Gleichzeitig bemühte man sich, schon für die kommende Saison einen Formel-Super-Vau-Prototypen zu bauen. Der Prototyp wurde direkt in der aufkommenden Monocoque-Struktur konstruiert. Dies ging aber bei weitem über die Fähigkeiten der Macher aus Burträsk hinaus. Also musste ein guter Freund ans Werk. Staffan Lindberg war Designer und konnte die hochkomplizierten Zusammenhänge eines Monocoque auch berechnen. Entgegen dem Trend wurde kein Aluminium verwendet. Man nutzte Stahlblech, das man auch Punktschweißen konnte. Das vorgegebene Mindestgewicht konnte trotzdem deutlich unterschritten werden. Im Mai 1971 geschah dann die Katastrophe, die Werkhalle und die Nebengebäude wurden ein Raub der Flammen. Alle Konstruktionszeichnungen, Rahmenlehren, Karosserie-Urformen, buchhalterischen Unterlagen und halbfertigen Fahrzeuge verbrannten. Nichts war mehr zu verwenden. Man stand buchstäblich vor dem Nichts. Daher ist es auch heute nicht mehr feststellbar, wie viele Fahrzeuge in den einzelnen Jahren produziert und verkauft wurden. Thomas Lundström,, selbst RPB-Formel-Vau-Besitzer und auch Aktiver in der Schwedischen Rennszene, bemüht sich seit Jahren, die ihm bekannt werdenden Fahrzeuge zu katalogisieren und aufzulisten. Somit erhält er die Geschichte der Racing Plast Burträsk weiter am Leben. Aber niemals geht man so ganz. Die Herren Lindskog und Levander versuchten noch eine Produktion an einem anderen Standort aufzubauen, allerdings kam ein Großauftrag des schwedischen Militärs dazwischen. Fortan produzierte man Sitzschalen, Businterieur, Karosserien für Motorschlitten und übrige Dinge, die mit dem Wissen um Kunststoff zu erstellen waren. Einer gab aber nicht auf: Bror Jaktlund. Nach den vergangenen Jahren nun vollständig vom Formel-Vau-Virus befallen, arbeitet er weiter an einigen geretteten Fahrzeugen und an einem neuen Formel-Super-Vau-Prototypen. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass das Modell 2 deutlich schlechter lag als Modell 1, obwohl er aus den Erinnerungen eigentlich ein fast gleiches Fahrzeug gebaut hatte. Später, nach einigen Versuchsreihen mit den in Mode gekommen Spoilern und Flügel bemerkte er, dass Modell 1 durch einen leicht anderen Unterboden Ansätze der späteren Wingcars hatte. Es entwickelte also einen sogenannten Groundeffekt, den er am Modell 2 nicht reproduzieren konnte. Die technische Entwicklung in der Formel Super Vau raste mittlerweile und Jaktlund musste das Projekt einstellen. In Stockholm gründetet er eine neue Firma und befasste sich sehr erfolgreich mit dem Motorenbau für den Rennsport. Auch in den Jahren 1971 bis 1973 konnte RPB weiter Siege einfahren. 1972 wurde besagter Bror Jaktlund selbst nur knapp im Europacup der Formel Vau geschlagen und landete in der Endabrechnung auf dem dritten Platz. 1973 konnte dann aber Bertil Ross den Europacup auf einem RPB erringen. Neben den Formel-Vau-Fahrzeugen versuchte man sich auch an Straßenfahrzeugen. Es entstand 1968 auf Käfer-Basis der sehr gefällige Piraya mit Flügeltüren und im Folgejahr der Piraya GT mit klassisch angeschlagen Türen. Auch dieses Design erinnert stark an die damaligen Le-Mans-Sieger aus der Sportwagen-Weltmeisterschaft. Noch vor der Fertigstellung des ersten fahrfertigen Fahrzeuges waren schon Kataloge gedruckt. Hier war bereits ein Fahrzeug auf der Rennstrecke zu sehen, der Fahrer war anscheinend sehr schnell unterwegs und trug deswegen auch einen Helm. In Wahrheit wurde der Piraya von einem anderen Fahrzeug an einem Seil gezogen. Für 1970 wollte Schweden neue Bestimmungen für Crash-Test einführen. Diese konnte RPB schnell allerdings nicht erfüllen. Daher sah man sich nach anderen Absatzländern wie Finnland und Norwegen um. Ein wirtschaftlicher Erfolg wurde leider auch der Piraya nicht.
Bauzeit/Baujahre
Typen und Technik
Konstrukteur(e)
Anzahl der gebauten FV- und Super-Vau-Fahrzeuge
Firmensitz- und Adresse (historisch, aktuell)
Quellen, Bücher, Websites
Thomas Keßler/Frank Michael Orthey/Lothar Panten: Formel Vau und Super Vau. Die Geschichte eines Rennsport-Welterfolgs. View-Verlag, 2. Auflage Bonn 2017, S. 169ff
Experten und Ansprechpartner
Stefan Gremler Thomas Keßler